1878-1903

50 JAHRE BUND ARKONA

Festschrift
zum fünfzigjährigen Jubiläum des Bundes Arkona
Gründungstag: 5. November 1878

“UNUS PRO OMNIBUS, OMNES PRO UNO!”

1. Geschichtliches vom Bunde Arkona 1878 – 1903

Von Alexander Steffen.

Über die Stimmungen und Ereignisse, welche die Gründung des Bundes Arkona vorbereiteten, sowie über die näheren Umstände des Gründungsvorganges selbst, hat bereits die Legendenbildung begonnen. Die mündlichen Überlieferungen sagen uns aber die Tatsache, daß der Grund des Bundes auf den Kap Arkona auf Rügen gelegt wurde und daß der 5. November 1878 der Gründungstag ist.
Das seinerzeit von dem ersten Schriftführer der Arkona, Freund Tamms, aufgestellte Personalverzeichnis bezeichnet als ersten Jahrgang des Bundes:
Hallersleben (Mastodon)
Lucas (Adonis)
Wendisch (Cicero)
Krüger (Loch)
Thomforde (Doctor)
Müller (Küster), als den ersten Fuchs.
Unser einziger noch lebender Mitbegründer der Arkona, Krüger (Loch), äußerte sich auf Befragung zur Gründungsgeschichte wie folgt:
“Der geistige Vater des Bundes war Wendisch (Cicero). Auf einer Ferienwanderung auf Rügen (allein) kam ihm der Gedanke und in Wildpark wurde er allmählich in die Tat umgesetzt. Bude 4 der Königl. Gärtnerlehranstalt war die eigentliche Geburtsstätte. Es waren ihre drei Bewohner: Wendisch (Cicero), Görnitz (Api) und Krüger (Loch); aus Bude 6 als vierter Lucas (Adonis). Diese vier sind als die eigentlichen Gründer anzusehen. Thomforde (Doctor) war nicht dabei, er kam erst ganz zuletzt hinzu. Es war ein Freundschaftsbund, der das Pauken eifrig betrieb. Dann trat Hallersleben bei. W. Siehe (Spund) war unser Fechtmeister. Müller (Küster) war der erste Fuchs und es tut mit heute noch leid, daß er abtrünnig wurde.
Wir durften natürlich nur in strengster Verschwiegenheit auftreten Unsere erste Zusammenkunft fand in einer kleinen Kneipe auf dem Wege nach Charlottenhof, bei Franke, statt. Gewissermaßen an die Öffentlichkeit traten wir durch eine prunkvolle schriftliche Einladung der gesamten Königl. Gärtnerlehranstalt zu einer Kneipe nach Station Wildpark. Von da an waren wir stillschweigend anerkannt.”

Die ältesten schriftlichen Aufzeichnungen aus der Gründungszeit sind die ersten schriftlichen Statuten von Präsidium, H. Hallersleben (Mastodon) unterzeichnet. Aus ihnen geht hervor, daß es noch ferne Nachklänge einer großen kriegerischen Zeit waren, die in den Köpfen und Herzen der Gründer wiederhallten; die Arkona sollte ein Paukverein sein, die Fechtkunst üben, um in Zeiten der Not, Kaiser, König und Vaterland kräftig unterstützen zu können. – In diesem Sinne fand die Gründung unter Mitwirkung von 6 Mitgliedern statt, ein weiteres Mitglied trat am 1. Dezember 1878 ein und unter diesen sieben wurden die ersten Statuten festgestellt, welche die äußeren Verhältnisse regeln und als zu tragende Farben grün-weiß-blau bestimmen. Bereits am 1. August und 8. September 1880 führten Beratungen zu anderer Statutengestaltung, aber erst Ende August 1881 gewannen sie festere Form: die Pflege der Fechtkunst fällt weg und die Arkona wird als Freundschaftsbund mit de Wahlspruch: Omnes pro uno, unus pro omnibus proklamiert.

Die ersten Jahre verlaufen in frohem Getriebe und der innige Zusammenhang aller wird durch häufige Besuche der A.H. in Potsdam und Briefwechsel aufrecht erhalten. Als aber die Zahl der A.H., die durch Berufspflichten nach allen Windrichtungen zerstreut werden, allgemach zunimmt, da erwacht auch das lebhafte Bedürfnis, die alten freundschaftlichen Beziehungen zu erhalten und den persönlichen Verkehr durch andere Bindungsmittel zu ersetzen bzw. zu ergänzen. Die Statuten legten zwar dem Schriftführer die Verpflichtung der Berichterstattung an die A.H auf, und unter diesen selbst liefen Zirkulare um, oft höchst humorvoller Art und anfangs von Mastodon von Arclitten aus geleitet. Aber die Zirkulare waren lange unterwegs, da sie nicht regelmäßig weiterbefördert wurden, so daß sie ihren Zweck, als Bindungsmittel zu dienen, wenig zu erfüllen vermochten.
Und eines solchen bedurfte es. Bei den älteren A.H A.H. wurden die Kneipgrundsätze vom Wunsch nach gesetzterer Lebensführung und nach fachwissenschaftlichem Fortschritt durchbrochen uns so kam von Wendisch- Osdorf der Vorschlag, einen “internationalen Leseklub” zu gründen, der sich das gemeinsame Halten von Zeitschriften zur Aufgabe stellen sollte, um statt der “kriegerischen” mehr die wissenschaftliche Seite zu pflegen.

Der Erfinder dieser Neuerung gab neben der ernsten auch eine höchst humorvolle Begründung, in der er das “Osdorfer Wurstblatt”, “das Kohlblatt, Rieselfelder Zeitung” und die “Gotenfreundlichen Berieselungsnachrichten” das Wort ergreifen ließ.

Während die älteren Mitglieder diesen Gründungsvorschlag freudig begrüßen und durch ins Einzelne gehenden Rat erweitern, umgibt die Aktivitas ihn und den Stifter” höchst bezeichnend mit bierulkiger Stimmung, erklärt sich aber auch dafür. – Da keiner die als Jahresbeitrag geforderten 10 Mk. einsandte, kam der Leseklub nicht zustande. Aber von den Aktiven ausgehende “allgemeine Berichte”, deren Nr. 2 am 21. September 1882 erschien, sorgten nun für einigen Zusammenhang, da sie hektographiert waren, also nicht herumgesandt zu werden brauchten.
Am 17. Januar 1884 wird ein neuer Versuch angekündigt, die fachwissenschaftlichen Beziehungen zu pflegen, sich wechselseitig zu fördern und die Berührungsflächen zu vermehren. Unter der Leitung von Schulze (Vetter), damals in England, wurde “Arkonas Gartenschrift” zum Preise von 2 Mk. pro Jahr herausgegeben. Von der Probenummer, die am 25 Januar 1884 erschien, wurden 40 Stück versandt. Sie war in Potsdam autographiert, von dort versandt und behandelte die Stellung der Gärtnergehilfen, speziell der Anstalter im In- und Ausland, ausländische Kulturen usw. Das Erscheinen war gedacht einmal im Halbjahr. Im September 1884 übernimmt Lambert die Schriftleitung; Nr. 4 erscheint am 1. Mai 1885, Nr. 6 Mitte Mai 1886; im Februar 1888 wird das Weiterbestehen der Zeitung trotz ihres Siechtums beschlossen, doch ist kein Wiederbelebungsversuch gemacht worden.

Das Leben der Arkonen der ältesten Jahrgänge war ein sehr reges. Die geringe Zahl gestattete noch allseitige höchst intime Beziehungen zwischen allen Mitgliedern. Die Chronik weiß viel von Kneipen und Spritzfahrten zu erzählen, doch fehlt es auch an Ereignissen nicht, welche den Frieden stören und zu Kampf und Abwehr herausfordern. Die Gegenpartei auf der Anstalt – fast zu jeder Zeit unter Namen wie “Kaltfüßler”, “Friedensengel”, “Antipoden” vorhanden, bot hierzu allerdings nicht den größten Anlaß. Wohl aber brachten die durch einen A.H geknüpften Beziehungen zur Charlottenburger Verbindung “Gothia” manche Unannehmlichkeiten, die zu Austrittserklärungen führten. Das berühmt gewordene Telegramm der “Gothia” an den Bund vom 19. November 1881, das in die Hände des damaligen Inspektors der Anstalt geriet, war der Anlaß großer Besorgnisse und führte zur zeitweiligen Einstellung der offiziellen Kneipen, und infolge weiterer von befreundeter Seite ausgehender Warnungen sogar zur Suspendierung der Arkona am 22. Februar 1882, dem Tage an welchem der Inspektor das Telegramm herausgab. Die befürchteten Maßregelungen traten aber nicht ein und so wurde am 17. Mai desselben Jahres die Aktivitas durch feierliches Gelöbnis wieder eröffnet – natürlich durch entsprechende feierliche Kneipe.

Die Kneipen fanden damals bei Ränsch statt. Ursprünglich hatte die Arkona bei Ebert gekneipt, war am 21. Januar 1880 nach der Mühlenberggrotte und kurze Zeit später zu besagtem Ränsch umgezogen, dessen Gasthaus am Bassinplatz lag und der Schauplatz zahlreicher froher Stunden war. Der Refrain eines alten Bierzeitungsliedes lautet:

Ich trinke meinen Schoppen frühe wie spät
bei Ränsch’en in unserer Kneipe!

Doch auch bei Ränsch blieb die Arkona nicht lange; schon 1882 siedelte sie zu
Henrici, Französische Straße, über, wo sie eine bleibende heimische Stätte fand.

Nicht wenig Aufregung brachte auch der Brand in der Anstalt am 19. Januar
1883. Die Arkonen waren zur Kneipe in Potsdam versammelt und eilten auf die
Nachricht vom Entstehen des Feuers auf schnellstem Weg der Anstalt zu. Ihr
Fehlen schien nicht bemerkt zu sein.

Schon kurze Zeit darauf zog neues, stärkeres Ungewitter herauf. In Proskau war eine Verbindung unter den Anstaltsbesuchern aufgelöst. Die Teilnehmer hatten sich ihren Vorgesetzten gegenüber auf ähnliche Verbindungen der Potsdamer Anstalt berufen und so fand hier sogleich eine peinliche Untersuchung statt. Doch rechtzeitig gewarnt, war die Arkona rechtzeitig suspendiert worden, die Kneipen eingestellt und alle äußerlichen Anzeichen verpackt. – Das war Ende Januar 1883. Schon im Februar erfolgte die Neueröffnung des Bundes.

Die nächsten Jahre verliefen zunächst ohne besondere störende Ereignisse. Auch die Änderung des Inspektoriats der Anstalt, durch den am 12. September 1882 erfolgten Tod Lauches verursacht, hatte keinen nennenswerten Einfluß auf die weitere Gestaltung der Dinge. Doch im April 1887 begann eine neue Sturm- und Drangperiode.

Eine in Berlin erscheinende Gärtnerzeitung hatte, gestützt auf Angebereien eines cum infamia ausgestoßenen Mitgliedes am 1. April einen Artikel gebracht über die Potsdamer Anstalt, der die Aufmerksamkeit der vorgesetzten Behörde auf das Treiben der Eleven lenken sollte, weil diese angeblich mehr Tanzvergnügungen, Kommersen und studentischen Gebräuchen huldigten, als daß sie um Erweiterung ihrer gärtnerischen Kenntnisse mühten. Die Folge dieses Artikels war, daß am 5. April während der praktischen Arbeit drei Aktive nach ihrer Zugehörigkeit zu einer Verbindung befragt und daß allen die Verpflichtung auferlegt wurde, aus dem Bunde auszutreten. Die Aktiven beschlossen, dieser Verpflichtung nachzukommen und einen entsprechenden Revers zu unterschreiben. Bei Übergabe des letzteren stellte der Inspektor seine Fürsprache für ein späteres Neugründungsgesuch in Aussicht unter der Bedingung, daß keine Farben getragen und alles Studentische abgestreift würde.

Das Austrittsgesuch der Aktiven wurde vom “Ausschuß des S.C.” – von dessen Einrichtung später die Rede sein wird – genehmigt und das Bundeseigentum von A.H. A.H. übernommen. Im Juni ging dann schon an das Kuratorium ein Gesuch um Genehmigung ab; es stütze sich auf neue Statuten, die den oben angedeuteten Wünschen der Vorgesetzten Rechnung trugen. Die auf das Genehmigungsgesuch in Aussicht gestellte Antwort lief nicht ein. Da aber in der Anstalt eine andere Vereinigung unter Vorwissen und Duldung des Kuratoriums bestand, so beschlossen die Freunde, die Arkona neu zu begründen. Das geschah nach fast halbjähriger Suspendierung am 12. September 1887. Die Arkona hatte keinen Schaden genommen; im Gegenteil: die Freunde waren enger einander verbunden. Im Gesangsverein “Liederkranz”, dem fast nur Arkonen angehörten, wurden frohe Stunden verlebt und wie stets hatte auch die Anstaltsreise ihren Anteil an der Stärkung der freundschaftlichen Bande.

Eine Nachwirkung hatte aber das Genehmigungsgesuch doch. In seiner Abschiedsrede an den abgehenden Jahrgang im März 1888 ging der Vorsitzende des Kuratoriums auf das Gesuch ein, erkannte manches Gute an den Bundesbestrebungen an, bat aber , von ihnen ablassen zu wollen. In einem aus diesem Anlaß erbetenen und gewährten Empfang hatte Heintze Gelegenheit, dem Vorsitzenden des Kuratoriums die Ziele des Bundes darzulegen, wie es schien, mit günstigem Erfolg.

Schon die ersten dieser mannigfachen Gefährdungen ließen es angebracht erscheinen, das äußere Auftreten der Arkona zu ändern unter Festhalten an dem Grundgedanken: Pflege treuer Freundschaft auf der Anstalt und über sie hinaus.
– Eine solche Änderung entsprach nicht nur dem Wunsch, der Anstaltsbehörde
zu Willen zu sein, sondern vor allem der Einsicht der A.H., die – inzwischen zu gesetzten Männern herangewachsen – die Notwendigkeit vollkommener Anpassung an die Anstaltsordnung betonten und selbst das Bedürfnis hatten, den echten Kern seiner äußeren “kriegerischen” Schale zu entkleiden. Es kam hinzu, daß bei der erheblich angewachsenen Zahl, bei den veränderten Lebensverhältnissen, Bedürfnissen und Anschauungen der A.H., die Leitung des Bundes durch die Aktivitas nicht mehr die Garantie gab, den nötigen Zusammenhang zu erhalten. Schon an 5. September 1886 war von den Aktiven ein Zirkular an alle A.H. abgegangen, das zur Bildung eines Senioren-Konvents aufforderte. Dieser sollte die Leitung der A.H. übernehmen, sich zusammensetzen aus je einem Mitglied jeden Jahrganges und einen geschäftsführenden Ausschuß an seiner Spitze haben.

Eine solche Neuordnung war eine dringende Notwendigkeit. Die Kassenverhältnisse waren sehr verfahren, die ziemlich hoch angesetzten Semesterbeiträge der A.H. liefen unregelmäßig ein und die Anforderungen an die Kasse waren nicht geringe. Schon das Stiftungsfest des Jahres 1886 am 6. November bringt eine Entscheidung: Der Senioren-Konvent wird als höchste Instanz anerkannt, einem Ausschuß desselben die Führung der Geschäfte übertragen, die A.H. zahlen nicht mehr an die Aktiven, sondern an einen eigenen Kassierer, aber die Kasse des S.C. soll sich an großen Festen der Aktiven Arkona beteiligen.

Damit war die erste Grundlage für eine neue Organisation geschaffen. Auf ihr bauen dann Vereinbarungen auf, welche 1887 gelegentlich der Neueröffnung der Aktiven Arkona für die Gliederung in Aktive und Alte Herren getroffen werden.
Einige Jahre später, nämlich 1890, geben die Anträge von Heintze (Rolf) dem Bunde seine heutige äußere Gestalt und bringen endlich Ordnung.

Doch bevor die Rolfschen Anträge dem Bunde zu weiterem Ausbau verhalfen, hatte die aktive Arkona nochmals harte Klippen zu umsegeln. Im Januar des Jahres 1890 wurde die Arkona vom Inspektor der Anstalt auf Grund eines Kuratorium-Beschlusses für aufgelöst erklärt; der unmittelbare Anlaß hierfür waren Urlaubsüberschreitungen, auch sonstige Streiche von denen ein Teil allerdings zu Unrecht auf das Konto der Arkona gesetzt wurde. Mehrere Arkonen hatten sich auch in Farben photographieren lassen, obgleich bereits auf dem Stiftungsfest des Jahres 1888 endgültige Ablegung der Farben beschlossen worden war. Die Auflösungserklärung des Inspektors hatte keine Mutlosigkeit zur Folge, wohl aber vorsichtiges Einfügen in die Hausordnung. Dieser Vorgang, der für die Aktiven ohne weitere Folgen verlief, war Anlaß einer lebhaften Bewegung unter allen Alten Herren. Es wurde beschlossen, ein Gesuch um Genehmigung der Arkona auf der Anstalt an das Kuratorium zu richten, diesem die Statuten, genaues Mitgliederverzeichnis zu überreichen und an den Vorsitzenden des Kuratoriums eine Abordnung zu entsenden. In den Tagen der großen Gartenbauausstellung wurde diese im Landwirtschafts-Ministerium am 27. April 1890 empfangen; sie bestand aus Schulze (Vetter), damals in Schwerin, Müller-Brieg, Heintze (Rolf), damals Rötha. Die Bedenken des Herrn Geheimrats Singelmann bezogen sich besonder auf folgende Punkte: die Arkona sei zu studentisch, trage Farben und habe “Chargierte”; die Beiträge seien zu hoch. Es konnte ihm entgegnet werden, daß die neuen Statuten alles studentische zu vermeiden suchten, daß keine Farben getragen würden und daß auch die Beiträge ermäßigt seien. Geheimrat S. stellte zum Schluß der eineinhalbstündigen Unterredung der Deputation in Aussicht, daß er eine Duldung der Arkona dem Kuratorium vorschlagen werde. Da von dieser Seite keine Mitteilung einlief, wurde am 24. November 1890 eine neue Deputation aus Schulze (Vetter) und Heintze bestehend entsandt, deren sich etwa mit dem der ersten deckte.

Die zahlreich besuchte Versammlung anläßlich der großen Berliner Gartenbauausstellung pflog auch Aussprache über den über Stellungnahme zu dem damals neu zu gründenden Verein Ehemaliger Schüler der Potsdamer Anstalt. Man vermutete bei ihm feindliche Tendenzen gegen die Arkona, beschloß aber, sich vorerst abwartend zu verhalten.

Das Jahr 1890 war auch durch sein Stiftungsfest von höchster Bedeutung für die Entwicklung der Arkona. Die Rolfschen Anträge gelangten am 22. November zur Beratung und Annahme; sie besagten in der Hauptsache folgendes:

Der Schriftführer hat halbjährlich einen Bericht zu verfassen, enthaltend
Chronik der Aktiven, Adressen, Personalien, Kassenberichte;
Es findet jährlich eine Generalversammlung statt; nur persönlich
anwesende Mitglieder sind stimmberechtigt;
Die Beziehungen der korrespondierenden Mitglieder werden geregelt.
Ferner wurden noch folgende Beschlüsse des Ausschusses mitgeteilt:

Der jährliche Beitrag für A.H. und korrespondierende Mitglieder beträgt
3 Mark;
Der Name “Ausschuß” wird in “Hauptvorstand” umgewandelt;
Der Hauptvorstand wird von nun an in allen offiziellen Schriftstücken den
deutschen Namen Arkona mit “k” schreiben.
Mit diesen Beschlüssen und denjenigen des Stiftungsfestes 1886 war die Hauptleitung des Bundes aus den Händen der Aktiven in die der A.H., des Hauptvorstandes, übergegangen. Wir sehen ihn in Zukunft im Vordergrund der Handlung, ihn mäßigend und anspornend, ordnend und schlichtend eingreifen in die Verhältnisse der Aktiven, soweit sie die Allgemeinheit angehen. Der erste Hauptvorstand aus Schulze (Schwerin), Müller-Brieg, Tamms-Brinkhof, von Vloten-Gohlis, tritt in sein Amt und der erste umfassende gedruckte Bericht geht am 1. April 1891 von Brinkhof aus in die Welt. Die Organisation ist damit in der Hauptsache beendet. 1891 wird beschlossen, von dem Verlauf der Generalversammlungen durch einen Protokollbericht den Mitgliedern alljährlich Nachricht zu geben; auch die Verhältnisse der Unterstützungskasse finden in diesem Jahre endgültige Regelung.

Zur Geschichte dieser Unterstützungskasse muß ich einiges nachholen. Schon vor vielen Jahren hatte sich der Wunsch und das Streben geregt, Arkonen, welche unverschuldet in eine Notlage geraten sind, durch Geldmittel zu helfen, wie es dem Geiste echter Freundschaft entspricht. Krüger und Luhde hatten zu diesem Ende bereites eine “Bettkasse” eingerichtet, deren Verwalter Anfang 1885 Berthold war. Sie kam nicht über kleine Anfänge hinaus. Auch ein zum Stiftungsfest 1885 von Battke-London einlaufender Antrag auf Gründung einer Unterstützungskasse kam weder zum Abschluß noch zur Durchführung . Doch der Gedanke blieb lebendig. Am 29. März 1891 wurde von 7 Arkonen eine Unterstützungskasse mit einer ersten Einzahlung von 9 Mark gegründet und die Generalversammlung stellte die noch heute geltende Satzung fest. Diese aus bescheidensten Anfängen hervorgegangene Gründung hat Bestand gehabt und dank dem zähen Wirken der Kassenführer sich gut entwickelt, so daß sie bereits ein Kassenvermögen von rund 2500 Mark aufzuweisen hat und daß alljährlich mit nicht unerheblichen Summen Bundesbrüdern helfend unter die Arme gegriffen werden konnte.

Auch die Bibliothek des Bundes ist von ähnliche wechselnden Geschick wie die Unterstützungskasse getrieben worden und hat sich auch aus kleinen Anfängen zu beachtenswerter Ausdehnung entwickelt, so daß sie sehrwohl nutzbringend für die Mitglieder im allgemeinen und die Aktiven im besonderen sein kann.

Ihrem Bestreben der Freundschaftspflege entsprechend, haben sich die Mitglieder bemüht, einander bei Erlangung von Stellen behilflich zu sein und da die Anzahl der in ansehnlichen Stellungen befindlichen Arkonen eine ganz stattliche ist, so könne bereits viele der jüngeren und ältere Arkonen Ihren Freunden für wesentliche Fortschritte im Beruf dankbar sein.

Es gehört ferner zu den Annehmlichkeiten, daß man fast an allen wichtigen Plätzen des Deutschen Reiches und auch über dessen Grenzen hinaus Freund antrifft, bei denen man sich unter Umständen Rat und Beistand einholen kann, in deren Arbeitsgebiet man Einblick erhält und die man froh und im Bewußtsein gemeinsamen Zusammenhanges und einer gleichen von Freuden, Streben und Torheiten bewegten Vergangenheiten begrüßen darf. Wo sich mehrere Arkonen zusammenfanden, bildeten sich Stammtische, von denen oft genug Anregungen und frisches Leben ausging. So haben besonders der Stammtisch in Berlin, seinerzeit der Dresdner, der in Magdeburg und Erfurt einen Ruf gehabt bzw. haben ihn noch. Das Zusammentreffen der Aktiven Arkona mit Alten Herren gelegentlich der Anstaltsreife ist alljährlich ein nicht nur von den Aktiven, sondern auch von uns Alten Herren froh begrüßten Ereignis, denn stets betrachten wir die Aktivitas als eine Quelle unserer Kraft, mögen wir auch oft genug an äußeren Dingen zu bemängeln gehabt haben. Gartenbauausstellungen sehen oft Arkonen in großer Zahl vereint; in verschiedenen Jahrgängen sind noch Briefkränzchen in Umlauf.

Der persönliche Verkehr unter den Arkonen hat auch an Breite und Tiefe gewonnen, seit durch Heiraten von Arkonen die Frauen Anteil am Bunde genommen haben, seit Arkonen ihren Familienkreis jüngeren Freunden gastlich öffneten, ihnen damit das Gefühl der Vereinsamung in der Fremde damit nahmen und einen Strom warmen heimatlichen Behagens in Ihnen lebendig machten. Dieser seit Jahren wirksame Einfluß des neuen Lebenselements, der Arkonenfrauen, wird an den Jubiläumstagen 1903 bedeutsam in Erscheinung treten und ein neuer Entwicklungsabschnitt damit gekennzeichnet. Von Angehörigen der Mitglieder, die ein freundliches Interesse an der Arkona nahmen, sei hier besonders der Frau Steuerrat Kretzschmar gedacht, die etwa ein halbes Jahr lang, bis zu ihrem Tode, Ehrenmitglied des Bundes war und zu Ehren unseres verstorbenen Bundesbruders Neinhaus, ihres Enkels, dem Bunde ein Legat vermachte, das innerhalb der Unterstützungskasse verwaltet wird.

Für den Ausbau des Bundes wesentliche Ereignisse brachten die letzen Jahre nicht. Die Statutenänderung im Jahre 1894/95 regelten vorwiegend formelle Fragen. Die Ausgabe der Semester-Berichte des Hauptvorstandes wurde seit 1900 vom 1. Oktober und 1. April auf den 1. Januar und 1. Juli verlegt; zu ihrer Ergänzung geben die Aktiven seit 1896 meist allmonatlich kurze Berichte an die Alten Herren. Ihre lebhaften Anteilnahme am Gedeihen der Wildparker Gärtnerlehranstalt gab die Arkona u.a. dadurch Ausdruck, daß sie sich an den Sammlungen für einen Stipendienfonds, der gelegentlich des 75 jährigen Anstaltsjubiläums gegründet wurde, mit einer Beisteuer von 850 Mark beteiligte. Die Stiftungsfeste des Bundes, verbunden mit der Generalversammlung, sind bis 1901 alljährlich im November gefeiert worden. In diesem Jahre – 1901 – wurde Verlegung in den frühen Herbst beschlossen in eine Jahreszeit, die Ausflüge und Feier im Freien eher als der rauhe November gestattet und die auch einen zahlreichen Besuch der Alten Herren erhoffen läßt. Das Stiftungsfest 1902 zeigte, wie glücklich eine solche Verlegung war und so werden wir auch unser 25 jähriges Stiftungsfest in den ersten Septembertagen feiern. Es wird das letzte Stiftungsfest der Arkona in Potsdam sein. Die am 1. Oktober erfolgende Verlegung der Gärtnerlehranstalt nach Dahlem wird auch die Arkona zur Aufgabe einer Stätte zwingen, die ihr in 25 Leidens- und Freudejahren lieb und innig vertraut geworden ist, und die einschneidende Änderung, welche mit dem 1. Oktober in den Anstaltsverhältnissen Platz greift, wird auch auf die Arkona von Einfluß sein. Welcher Art dieser Einfluß sein wird, das müssen wir abwarten; daß er segensreich sei, ist unsere Hoffnung und unsere Zuversicht.

Schon jetzt hat die in Aussicht stehende Anstaltsverlegung ein höchst wichtiges Ereignis gezeitigt. Es hat sich unter den Arkonen auf Betreiben des Erfurter Stammtisches ein Verein gebildet, der sich die Gründung eines Arkonenhauses in Dahlem zur Aufgabe machen will; zunächst läßt er noch frei, ob dieses Arkonenhaus ein eigenes oder gemietetes sein, und in welcher Größe und Art es Wirklichkeit werden soll, er legt vielmehr sein Hauptgewicht auf die Beschaffung von Geldmitteln durch Ausgabe von Anteilsscheinen in Höhe von je 100 Mark. Dieser Verein ist im Sommer 1903 in Berlin fest begründet worden. Zur Zeit der Niederschrift dieser Zeilen schwebte die amtsgerichtliche Eintragung des Vereins “Arkonenhaus”, der sich aus denjenigen Mitgliedern der Arkona zusammensetzen wird, die sich an der Zeichnung von Anteilsscheinen beteiligen.

Damit komme ich zum Schluß.
Die Entwicklung des Bundes ist die des einzelnen Menschen: Eine Jugend, überströmend von Übermut, Leichtsinn und Torheit, aber auch voll von Ehrlichkeit, Treue, rechtem Kraftgefühl, Begeisterungsfähigkeit. Die Pforten zum Herzen sind noch nicht durch Mißtrauen und Pessimismus verriegelt. Dann ein Mannesalter, stark, vorwärts und aufwärts strebend, bemüht, die Schlacken der Jugend abzustoßen, aber doch besorgt, aus ihr alle Wahre und gute sich in alle Zukunft hinüberzuretten. Wir tragen nicht mehr Farbenband, Mütze, Schärpe oder Rapier, und doch singen wir auch heute noch mit Begeisterung: “Und schmücke ich mir meine Brust mit einem grün-weiß-blauen Band, so bebt mein Herz in stolzer Lust….! – und grüßen mit diesem brausenden Gesang eine sturm- und drangdurchwehte Vergangenheit und eine Zukunft, die auf dem Grunde treuer Freundschaft weiterbauen wird.

Auch die Arkona ist nur ein Atom im unendlichen Weltgetriebe; daß sie in ihrem bescheidenen Kreise die edlen Kräfte, das Starke, Männliche im Menschen zu entwickeln strebt, das wird, mögen der Mängel immerhin genug bestehen, ihr bleibendes Verdienst sein.

Möge sie darum allzeit blühen, wachsen und gedeihen.

Die Farben des Bundes Arkona
Grün – wie die Wälder, Weiß – wie die Kreidefelsen, Blau – wie das Meer